|
|
|
|
|
14. August: In der Welle zum Mont Blanc
Wie schon erwähnt schickt das Tief über Deutschland auf seiner Rückseite abermals eine Störung Richtung Alpen.
Die Nordwestströmung verstärkt sich dadurch weiter und erreicht in 6000 m Höhe Geschwindigkeiten bis 80 km/h. Das bedeutet klassisches Nordwest-Wellenwetter von Südfrankreich bis ins Tessin!
Nur, wie funktioniert das Ganze von Münster aus? Haben wir überhaupt eine Chance dem Talraum zu entkommen?
Die Himmelsoptik am Morgen dieses 14. August ist nämlich alles andere als ermutigend: fast 8/8, und die Basis ziemlich niedrig. Doch ich kenne diese Wetterlagen von Südfrankreich aus recht
gut und bin deshalb sehr zuversichtlich, dass wir uns irgendwie ins gute Wetter mogeln können.
Zugegeben: Optimismus ist nötig, um überhaupt zu starten. Doch die Belohnung wird ein traumhafter Wellenflug zum Mont Blanc sein, natürlich nicht zufälligerweise am Matterhorn vorbei (“versteht sich ja von selbst, klar, sowieso!”
).
Hier zunächst das zugehörige Satellitenbild:
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Ein wirklich faszinierendes Schauspiel! Wasserfallähnlich strömt die Luft über den Grimselpass ins Goms. Die Situation ist wohl ziemlich klassisch, so wie es uns die Schweizer
Freunde im Vorfeld dieser Wetterlage schon erklärt hatten.
|
|
|
|
|
|
Eins ist klar: Der einzige „Fluchtweg“ aus dem oberen Rhonetal verläuft talabwärts zum Simplonpass. Dann entweder über den Simplonpass Richtung Masera oder ins Mattertal und
dann weiter Richtung Aosta. Dass ich mich für die zweite Variante entscheide, ist bei der Betrachtung des Fotos (Blickrichtung SW) sicherlich gut nachzuvollziehen: Aus der Welle am Simplonpass kann ich
mehr als erahnen, was im Aostatal abgeht!
|
|
|
|
|
|
|
Unter mir das Saastal. Südlich davon, über dem Anzascatal, markiert ein riesen Lenti die Welle, die bei starkem Nordwestwind häufig an dieser Stelle steht.
|
|
|
|
|
|
In 4.600 m fliege ich direkt auf den Gipfel des Matterhorns zu. Wie in Watte gepackt – Ästhetik pur. Kann man sich stilvollere Momente im Segelflug vorstellen?
|
|
|
|
|
|
... an deren Luvseite ich in sanftem Steigen entlang schwebe.
|
|
|
|
|
|
|
Aus der Valpelline-Welle richtet sich der Blick nach Südwest. Das breite Aostatal mit der Stadt in Bildmitte liegt mir zu Füßen. Am linken Bildrand über dem Flügel erkennt man am
Horizont den Monte Viso.
|
|
|
|
|
|
Südlich des Grand Combin steht eine mächte Lenticulariswolke, an deren Luvseite man wunderschön hangsegeln kann. Doch ich bin mega-hoch und fliege deshalb geradeaus weiter Richtung
Mont Blanc.
|
|
|
|
|
|
Ich fliege noch ein Stück weiter bis zum Col de Seigne und genieße die super Sicht nach Süden: Am Horizont direkt neben dem Winglet der Monte Viso, auf der rechten Seite die Ecrins.
Am Col de Seigne entschließe ich mich um 16:30 Uhr zur Umkehr. Zwar würde mich ein Ausflug nach Südfrankreich schon reizen, doch der anschließende Rückflug wäre bei 60-80 km/h Gegenwind sicherlich kein
Zuckerschlecken, zumal wenn sich der Tag allmählich dem Ende zuneigt.
|
|
|
|
|
|
Südlich vom Mont Blanc kommt mir Gerhard entgegen. Er ist fast den gleichen Weg hierher geflogen wie ich. Klar, dass wir uns für ein paar Fotos in Stellung bringen.
|
|
|
|
|
|
... und gleich nochmal, diesmal mit dem Mont Blanc Gipfel genau unter dem Cockpit ...
|
|
|
|
|
|
Mit einer leichten Rückenwindkomponente fliege ich zügig nach Osten. Südlich von Cervinia, genau über Valtournanche, kann ich gut ins Mattertal sehen. Durchaus beruhigend, denn auf
dem Weg hierher hatte ich den Eindruck, dass es im Norden komplett dicht macht.
|
|
|
|
|
|
Wie geplant fliege ich das Valtournanche zunächst etwas nach Süden und dann direkt auf Aosta zu, diesmal das Ganze also eine Wellenlänge weiter südlich. Es funktioniert ganz toll,
Rotorbänder weisen den Weg und erlauben mir, auf dem Weg von Valtournanche bis westlich von Aosta im Geradeausflug 700 m Höhe zu gewinnen!
|
|
|
|
|
|
|
Über der mächtigen Rotorwolke der Fallère-Welle geht’s mit über 3 m/s laminar nach oben!
|
|
|
|
|
|
Kurz bevor ich über das Matterhorn wieder nach Norden fliege mache ich noch einen Vollkreis, um den über 4.600 m hohen Monte Rosa in seiner ganzen Pracht abzulichten.
|
|
|
|
|
|
Abermals schlägt mein Herz höher, als ich zusehen kann, wie sich der Gipfel plötzlich von den Wolkenmassen befreit und leuchtend in den blauen Abendhimmel ragt.
|
|
|
|
|
|
Im Westen des Mattertals hat’s ganz schön viele Wolken ...
|
|
|
|
|
|
... wie auf diesem Bild noch deutlicher zu erkennen ist. Kurz nach 19 Uhr setzte ich zur Landung an. Ein traumhafter Tag liegt hinter mir, ein Tag, dessen Potential am Morgen in Münster nicht so einfach
abzuschätzen war.
|
|
|
|
|
|
Wie gestern geht der Schlepp wieder zum Blasen. Doch heute ist es wesentlich feuchter als gestern. Zudem ist das Steigen am Blasen im Vergleich etwas ruppiger und weniger konstant.
Zeitweise muss man deutlich vor dem Hang fliegen, um Höhe zu gewinnen. Gegenüber, im Norden, stürzt sich die Grimselschlange über den Pass nach Süden.
|
|
|
|
|
|
Unter dem Flügel ist der Blasen gut zu erkennen. Die Luft, die über den Grimselpass nach Süden stürzt, steigt am Blasen wieder auf und kondensiert aufgrund ihrer hohen Feuchte
relativ niedrig, heute bei nur knapp 2.500 m. Das macht aber nichts, denn vor der Wolke geht es in weitgehend laminarer Strömung weiter nach oben. Dass trotzdem eine gehörige Portion Optimismus an den Tag zu
legen ist, ist leicht zu erkennen: nur wenige Wolkenlücken über dem Talraum, und die „obere“ Basis liegt maximal bei 2.900-3.000 m.
|
|
|
|
|
|
Ich bin ca. 3.800 m hoch und mache mich auf den Weg ins Mattertal. Ich kann mich kaum satt sehen und muss mich etwas mehr darauf konzentrieren, einen guten Flugweg zu finden.
In Bildmitte der Dom zwischen Saastal und Mattertal.
|
|
|
|
|
|
Allmählich geht’s zur Sache! Doch bevor ich mich der magischen Pyramide nähern kann, muss ich im Mattertal zunächst schwer arbeiten: in der Welle am Simplonpass bin ich zu
niedrig abgeflogen und komme daher im Mattertal in nur 3.200 m an. Das ist angesichts der über 4.500 m hohen Berge ringsherum nicht viel. Unterhalb 4.000 m produziert der NW-Sturm hier jede Menge Turbulenz,
und so sind 20 schweißtreibende Minuten nötig, bis ich wieder in laminare Strömung komme.
|
|
|
|
|
|
|
Der Gipfel des Matterhorns ist von einer märchenhaften Wolke geschmückt, ...
|
|
|
|
|
|
Ich fliege weiter ins Valpellinetal, das – wie sich’s gehört – eine super Welle zu bieten hat. Beim Blick nach Norden überlege ich mir, dass ich an diesem Tag, wenn
ich von Südfrankreich kommen würde, nie auf die Idee käme, ins Mattertal zu springen. So freut mich die Erfahrung, die ich heute bei dem Flug von Münster aus mache, gleich doppelt.
|
|
|
|
|
|
Das dritte Foto aus der Valpelline-Welle mache ich nach Westen, wo etwas rechts der Bildmitte der Mont Blanc zu sehen ist. Dort will ich hin!
|
|
|
|
|
|
Nachdem ich die letzten Rotorbänder vor Courmayeur überflogen habe, steht er in voller Pracht vor mir: mit 4.807 m ist der Mont Blanc der höchste Berg Westeuropas.
|
|
|
|
|
|
Der Mont Blanc von Süden. Ich nehme mir vor im Bereich nördlich des Aostatals verschiedene Wellenlinien abfliegen. Neben häufigem Streckenfieber schlägt bei mir eben immer wieder
auch der Forschungsvirus zu. Der Plan lautet also: zunächst wieder nach Osten und dann, wenn möglich, eine Wellenlänge versetzt weiter im Süden wieder nach Westen ...
|
|
|
|
|
|
Jawohl, ein bisschen näher, ...
|
|
|
|
|
|
... so, jetzt reicht’s aber, schließlich habe ich mir noch einen wissenschaftlichen Aufgabenteil vorgegeben.
|
|
|
|
|
|
Der Lago Goillet östlich von Cervinia.
|
|
|
|
|
|
|
Genau über dem Flugplatz von Aosta. Glitzernd schlängelt sich die Dora Baltea am Südrand der Stadt entlang.
|
|
|
|
|
|
Um 17:30 Uhr drehe ich südlich des Großen St. Bernhard wieder um. Noch ein Blick zum Mont Blanc, und dann ab Richtung Heimat, gut 110 km nach Nordosten.
|
|
|
|
|
|
Von Südwesten her halte ich in 4.600 m auf die Westseite des Matterhorns zu. Das Mattertal ist frei, so dass der Heimflug gesichert sein sollte.
|
|
|
|
|
|
Während des Abflugs nach Norden kommt mir wieder der Text von Jochen von Kalckreuth in die Sinne: „Vor dem Abflug ... ziehe ich einen großen Kreis zum Hörnligrat, werfe einen letzten
Blick zurück. Jetzt finde ich die vollkommenste Perspektive des Berges, der Pyramide zwischen den Wolken. Nord- und Ostwand bilden zwei genau aufeinander bezogene Steilflächen. Der Gipfelkopf des Berges ist in
knapper Bewegung nach Südosten gewandt – diese steinerne Drehung verleiht der Pyramide ihre seltsame Ausstrahlung. Eine helle Wolkenfahne zeigt von der Spitze nach Süden.“
|
|
|
|
|
|
... und auch Richtung Münster schaut es nicht gerade einladend aus, ...
|
|
|
|
|
|